Drachensteigen im Herbst – nicht ungefährlich

Die Landschaft verändert sich - der Herbst kündigt sich an. Die Blätter leuchten in allen erdenklichen Rot- und Goldtönen, die Getreidefelder sind abgeerntet. Es wird kühler, stürmischer. Kein Grund, sich in den eigenen vier Wänden zu verschanzen, denn auch diese Jahreszeit hat ihre Reize. Ein typisches Herbstvergnügen ist Drachensteigen. Die bunten Fantasiegestalten, die schwerelos am Himmel tanzen, haben schon seit jeher die Menschen fasziniert. Vom selbst gebastelten Kinderdrachen bis zum rasanten Lenkdrachen bietet das Spiel mit dem Wind ein sportliches Frischlufterlebnis für jung und alt.

Drachen begleiten die Menschheit schon seit mehr als 2000 Jahren. Nach chinesischen Quellen gab es sie im Land der Mitte schon im 6. Jahrhundert vor Christus. Jüngste Funde lassen jedoch vermuten, dass in Indonesien schon wesentlich früher Drachen als Flugobjekte gebaut wurden. Mit ihnen wurden unter anderem Wagen und Boote gezogen und damit die Windenergie bereits früh genutzt. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts setzte man Drachen zu wissenschaftlichen Zwecken ein. Der Höhenrekord für einen Drachen liegt bei 9740 Metern und lässt damit sogar die Spitze des Mount Everest (8848 Meter) weit unter sich. Dabei handelte es sich um eine Drachenkette aus acht Schirmdrachen, die vom königlich preußischen Institut in Lindenberg für meteorologische Beobachtungen eingesetzt wurde. Der Rekord wurde am 1. August 1919 in der Nähe Berlins aufgestellt.


Einleinerdrachen:

Einleiner sind die Grundform der Drachen. Sie haben - wie ihr Name sagt - nur eine Leine und können normalerweise nicht gelenkt werden. Ausnahme sind die in Asien weit verbreiteten Kampfdrachen. Ihre Handhabung erfordert allerdings viel Übung, Geschick und Reaktionsschnelligkeit.


Lenkdrachen:

Lenkbare Drachen haben üblicherweise zwei Leinen. Diese Leinen sind meistens an zwei Seiten des Modells befestigt und werden von dem Drachenpiloten mit beiden Händen gehalten. Durch Zug an den Leinen können Loopings, Schrauben und andere Figuren geflogen werden. Ein typisches Lenkdrachenmodell mit zwei Leinen ist der Deltadrachen, der wie ein V aussieht.


Mattendrachen:

Mattendrachen sind stablose Drachen, die durch den Wind in Form gebracht werden. Sie bestehen aus der Segelfläche und stabilisierenden Luftkammern. Sie müssen immer mit Zug an den Leinen geflogen werden: Ohne Druck fallen sie in sich zusammen.


Sicherheit muss sein:

Drachensteigen birgt auch Gefahren. Es gilt einiges zu beachten, damit dieser vergnügliche Sport in der freien Natur nicht böse endet.
  • Unbedingt auf genügend Abstand zu elektrischen Freileitungen achten. Besondere Gefahren gehen von Hochspannungsleitungen aus. Auch ohne direkte Berührung, kann es zu einem Überspringen von Funken kommen. Drachenschnüre dürfen daher kein Metall enthalten. Doch Vorsicht: Auch Kunststoffschnüre können bei feuchter Witterung gefährlich werden.
  • Sollte trotz aller Vorsicht einmal ein Drachen in einer Freileitung hängen bleiben, dürfen keine eigenen Befreiungsversuche unternommen werden. Kinder und Erwachsene begeben sich bei diesen "Rettungsaktionen" in akute Lebensgefahr.
  • Verhängt sich der Drachen in einer Freileitung, sofort die Leine loslassen und den Störungsdienst des zuständigen Energieversorgungsunternehmens informieren.
  • Bei nahendem Gewitter den Drachen sofort einholen.
  • In unmittelbarer Nähe eines Flugplatzes ist es verboten, Drachen steigen zu lassen.
Damit das Drachensteigen ein Erfolg wird, sind die richtige Windgeschwindigkeit - für die meisten Modelle 10 bis 25 Kilometer in der Stunde - und die Auswahl eines geeigneten Platzes ausschlaggebend; ein zehn Meter hoher Baum verwirbelt den Wind auf 50 Meter Höhe. Häufiger Fehler beim Drachenstart ist eine viel zu kurze Leine. Da nützt dann meistens auch das hektische Laufen nichts.

Lenkdrachen sind für Kinder erst ab dem achten Lebensjahr zu empfehlen, außerdem sollte ein Elternteil sich auskennen. Diese Lenkdrachen erreichen auch eine beträchtliche Geschwindigkeit. Es ist daher unbedingt zu beachten, dass andere Menschen nicht gefährdet werden und es auch zu keiner Sachbeschädigung kommt.


Haftung:

In Deutschland, aber unter anderem auch in Österreich und der Schweiz, wurden Drachen bisher unabhängig von der Länge der Flugleinen als Luftfahrzeuge eingestuft. Daher besteht einerseits eine Gefährdungshaftung für den Halter des Drachens und damit andererseits korrespondierend eine gesetzliche Versicherungspflicht nach dem Luftverkehrsgesetz. Diese Rechtslage bestand schon vor der letzten Änderung des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) im Jahr 2005. Über die üblichen Privathaftpflichtversicherungen waren daher Drachen in aller Regel nicht oder nur sehr eingeschränkt versichert. Insbesondere stellten die Versicherungsklauseln oft auf ein bestimmtes Höchstgewicht und eine bestimmte Flughöhe (30 Meter) ab. Gleichzeitig wurde in den Bedingungen aber eine Haftung für versicherungspflichtige Drachen generell ausgeschlossen, so dass im Schadensfall bei solchen Policen immer mit einer Ablehnung der Schadensübernahme gerechnet werden musste. Diese Haftungsfragen werden zwischen dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, verschiedenen Versicherern, dem Luftfahrt-Bundesamt und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung kontrovers diskutiert. Seit 12.05.2012 gelten allerdings in Deutschland Drachen (Kites), die zu Zwecken des Sportes oder der Freizeitgestaltung betrieben werden, in rechtlicher Hinsicht nicht mehr als Luftfahrzeuge. Der insoweit maßgebliche § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 und Nr. 11 LuftVG wurde abgeändert. Damit besteht für solche Drachen in Deutschland seither auch keine gesetzliche Versicherungspflicht mehr.

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